- Strukturpolitik der Europäischen Union
- 1. Begriff: Das EU-Ziel des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts war bereits Bestandteil des EWGV von 1957 und wurde in seiner Bedeutung laufend gestärkt, bes. durch die ⇡ EEA und die ⇡ Maastrichter Verträge und ⇡ Amsterdamer Vertrag. Dieses Ziel wird über verschiedene Finanzierungsinstrumente verfolgt, deren Gesamtanteil am EU-Haushalt ebenfalls stark gewachsen ist und bis 2006 ca. ein Drittel ausmacht. Unter Strukturfonds i.e.S. sind in der Zeit von 2000 bis 2006 die folgenden vier EU-Instrumente zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts zu verstehen: Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung (⇡ EFRE), ⇡ Europäischer Sozialfonds (ESF), Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei (FIAF) und Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung (EAGFL). Die Strukturfonds werden vom ⇡ Kohäsionsfonds und seit 2002 vom ⇡ Solidaritätsfonds ergänzt. Im Rahmen der Beitrittsvorbereitungen wurden für die mittel- und osteuropäischen Bewerberstaaten außerdem das strukturpolitische Instrument zur Beitrittsvorbereitung (ISPA) und das Instrument für die Förderung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes (SAPARD) geschaffen, die das seit 1989 bestehende PHARE-Programm ergänzten (⇡ EU-Erweiterung).- 2. Merkmale der Strukturfonds: Die vier Strukturfonds EFRE, ESF, FIAF und EAGFL sind im Zeitraum 2000–2006 mit insgesamt 195 Mrd. Euro ausgestatten und sind zu ca. 94 Prozent auf folgende drei vorrangige Ziele ausgerichtet: (1) Ziel 1: Strukturelle Anpassung der Regionen mit Entwicklungsrückstand. 70 Prozent der Strukturfonds gehen an diese Regionen, in denen 22 Prozent der EU-Bevölkerung leben. (2) Ziel 2: Wirtschaftliche und soziale Umstellung von Gebieten mit Strukturproblemen. 11,5 Prozent der Strukturmittel gehen an diese Regionen, in denen 18 Prozent der EU-Bevölkerung leben. (3) Modernisierung der Bildungs- und Ausbildungssysteme und zur Beschäftigungsförderung außerhalb der Ziel-1-Regionen. 12,3 Prozent der Strukturmittel fließen in diesen Bereich. Weiterhin finanzieren die Strukturfonds mit 5,35 Prozent der Mittel vier sog. Gemeinschaftsinitiativen: Interreg III für die grenzübergreifende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit, Urban II für die nachhaltige Entwicklung krisenbetroffener Städte und Stadtviertel, Leader+ zur Entwicklung des ländlichen Raums durch lokale Initiativen und Equal zur Bekämpfung von Ungleichheiten und Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt. Die übrigen 1 Prozent der Strukturfonds stehen jeweils zur Hälfte für die Anpassung der Fischereistrukturen außerhalb der Ziel-1-Regionen sowie für innovative Maßnahmen bereit. Im Rahmen der Strukturfonds werden mehrjährige Programme finanziert, die von den Regionen, den Mitgliedstaaten und der Kommission partnerschaftlich festgelegt werden. Die Auswahl der einzelnen Projekte erfolgt auf regionaler/nationaler Ebene im Rahmen der von der Kommission genehmigten Programme.- 3. Merkmale des Kohäsionsfonds: Der Kohäsionsfonds ist in der Periode 2000 bis 2006 mit 18 Mrd. Euro ausgestattet. Er unterstützt den Auf- und Ausbau von Umwelt- und Verkehrsinfrastrukturen. Seit seiner Schaffung im Jahre 1994 dient er zur Finanzierung von Vorhaben in den ärmsten EU-Mitgliedstaaten (mit weniger als 90 Prozent des Pro-Kopf-BIPs im Vergleich zum EU-Durchschnitt). Bislang waren dies Griechenland, Irland, Portugal und Spanien, wobei Spanien mehr als 60 Prozent der Mittel erhielt. Der Finanzierungssatz seitens der Gemeinschaft ist mit 80–85 Prozent der Kosten sehr hoch.- 4. Merkmale des Solidaritätsfonds: Der Solidaritätsfonds wurde im Jahre 2002 geschaffen, um Mitgliedstaaten und Beitrittsländern wirksame und flexible Soforthilfe im Fall von Naturkatastrophen zu gewähren. Der Solidaritätsfonds wird über die bestehenden Strukturfonds, ISPA und SAPARD finanziert. Es handelt sich um eine einmalige, globale Finanzhilfe ohne Notwendigkeit einer Kofinanzierung. Sie zielt in erster Linie auf den kurzfristigen Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur, Bereitstellung von Notunterkünften, Mobilisierung von Hilfsdiensten, Sicherung des Kulturerbes und Säuberung der betroffenen Gebiete ab.- 5. Merkmale von ISPA und SAPARD: Beide Instrumente stehen seit Anfang 2000 den mittel- und osteuropäischen Bewerberländern im Rahmen der Vorbeitrittsstrategie zur Verfügung. ISPA arbeitet nach dem Vorbild des Kohäsionsfonds und unterstützt Umwelt- und Verkehrsinfrastrukturvorhaben. SAPARD unterstützt den Strukturwandel im ländlichen Raum.- 6. Ausblick: Mit der Erweiterung im Jahre 2004 erhalten die neuen Mitgliedstaaten ebenfalls Finanzhilfen aus Struktur- und Kohäsionsfonds (2004–2006 ca. 27 Mrd. Euro). Im Februar 2004 legte die Kommission den dritten Kohäsionsbericht vor, der die Diskussionsgrundlage für den nächsten Planungszeitraum (2007–2013) bildet und voraussichtlich 2005 in die Annahme neuer Strukturfondsgesetze mündet (⇡ Finanzielle Vorschau der Europäischen Union). Der Bericht schlägt vor, dass weiterhin ein Drittel (des möglicherweise dann auf 146 Mrd. Euro steigenden) EU-Jahreshaushalts in einer EU mit 27 Mitgliedstaaten für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt aufgewendet werden. Im gesamten Planungszeitraum wären das ca. 336 Mrd. Euro für Strukturpolitik, wobei jeweils die Hälfte zu Gunsten der alten und neuen Mitgliedstaaten vorgesehen wäre. Es werden drei Ziele vorgeschlagen: (1) Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit: Dieses Ziel nähme in erster Linie das ehemalige Ziel 1 und den Kohäsionsfonds auf. Es fände Anwendung auf Regionen mit weniger als 75 Prozent BIP pro Kopf in der EU-25 und auf Regionen, die vom „statistischen Effekt“ betroffen sind, d.h. die in der EU-25 über diesem Schwellenwert, in der EU-15 jedoch darunter lägen. Außerdem beträfe es – entsprechend dem heutigen Kohäsionsfonds – Staaten mit unter 90 Prozent des BNP/Kopf. Für dieses erste Ziel wären 78 Prozent der Strukturmittel vorgesehen. Neu innerhalb dieses Ziels wäre auch die Aufgabe der Verstärkung von Verwaltungskapazitäten. (2) Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung: Dieses zweite Ziel wäre nicht territorial auf bestimmte Regionen/Staaten begrenzt und würde die bisherigen Ziele 2 und 3 sowie die Gemeinschaftsinitiativen außer Interreg integrieren. Für dieses Ziel wären ca. 18 Prozent der Mittel vorgesehen. (3) Europäische territoriale Zusammenarbeit, das eine Weiterentwicklung der bisherigen Interreg-Gemeinschaftsinitiative bedeutete und für das ca. 4 Prozent der Mittel vorgesehen sind. Der Bericht bestätigt die Prinzipien und Nutzen der bisherigen Strukturpolitik schlägt aber eine Anpassung an die Prioritäten der ⇡ Lissabon-Strategie sowie eine Reform und Vereinfachung der Verwaltung und Kontrolle vor.- Vgl. auch ⇡ sektorale Strukturpolitik.- Weitere Informationen unter www.europa.eu.int.
Lexikon der Economics. 2013.